19. März 2024

Steinmetzmeister Jakob Provin

Prolog

(1) 93: 1531.III.13, Provinus de Provini f. magri. Petri et Georgius de Provino fq. Provini. – (2) Vollmacht 6.VIII.1625, unterzeichnet und versiegelt von << Jacob Provin Stainmetz und Hofwirth zu Spitall am Piern in Oesterreich ob der Emss >>, für die Verteilung von Vermögenswerten, die von den Eltern Provin de Provin und Graziosa geerbt wurden. Diesem ersten Dokument ist ein zweites vom 16.XI.1641 beigefügt, mit dem << Jacobus Provin auf der Mändlmüll zu Spitäll >> bestätigt erhalten zu haben << ain Summa Gellts auf dem Provinshuoss zu Demerrt (Meride) darauf main Sohn Johann Baptista Provin hausen thuott >> (AC. Rog. 106).

mit google translate übersetzt

Dieser Ausschnitt stammt aus Armoriale ticinese von Alfredo Lienhard-Riva, erschienen in Losanna 1945 und wurde mir vom Historiker Marco Marcacci zur Verfügung gestellt.
1625 bzw. 1641 wird Jakob Provin als Bürger von Meride erwähnt, mit eindeutiger Quellenangabe, AC. Rog. 106 ist die Archivsignatur der Quelle.
Meride (heute Gemeinde Mendrisio) liegt im Kanton Tessin in der Schweiz.

Dieser Steinmetz und Hofwirt in Spital am Pyhrn Jakob Provin (* um 1557 in Meride; † 1645 in Spital am Pyhrn ) war mein 9-fachen Urgroßvater, ich habe ihn über sehr spannende Umwege gefunden.

Aber der Reihe nach:

Christoph Provin (* um 1647 in Spital am Pyhrn; † 1719 in Gillaus), der Urgroßvater von Eva Maria Maurer geb. Provin, hatte als Witwer am 10. Oktober 1678 Eva Weiß in der Pfarre Kottes geheiratet (Buch 02/02, 1669-1687, fol. 21):
(1678 October) 10.
Sponsus Christophorus Provin Viduus et Molitor in Cottes
Sponsa Eva filia Stephani Weihsen Maria uxoris in Deichmanns
Testes Paulus Schießl, Joannis Kranich, Joannes Häberl et Jacob… ex Trändorff

In der Pfarre Kottes gibt es im Buch 03/02, 1669-1687, fol. 15 einen Sterbeeintrag vom 25. März 1678:
Sepulta est in Cottes Elisabetha Provinin , Molitoris in Cottes uxor., offenbar Christophs erste Frau, aber weit und breit kein Trauungseintrag der beiden.
Nicht weit von Kottes entfernt liegt Els, in der Pfarre Els wurden sechs der acht Kinder von Christoph und Eva Provin getauft, aber auch hier kein Trauungseintrag von der ersten Ehe.
Allerdings entdeckte ich in der Pfarre Els im Buch 01/02, 1681 – 1736 folgenden Eintrag, getauft wurde am 30. Jänner 1692 eine Maria Elisabeth, Vater Wolffgang Ferdinand Profin auß dem Land ob der Enß von Spitäll an der Pürrn!

Profin!

Da musste ich gleich in den Kirchenbüchern der Pfarre Spital am Pyhrn nachschauen!
Und tatsächlich, ich fand dort die erste Trauung von Christoph Provin und Elisabeth Kiendler am 20. November 1674 (Buch 201/01, 1663 – 1703, fol. 97):
(1674) den 20 Novemb: sind copuliert worden Sponsus Christoph Provin, des Andre Provin Stainmetzmaisters, und Martha seiner Ehewürt: ehel. Sohn Sponsa Elisabeth Kiendlerin des Hannßen Kiendler Sengßenschmidmaisters seel. und Susanna seiner Ehewürthin ehel. Tochter. adst. R.D. Jan: Defalin

Apropo Steinmetzmeister – auch Christoph war ein Steinmetzmeister, wie im Trauungseintrag der Tochter Rosina vermerkt:
mit Rosina des geachten Christoph Provin Mühlner und Stainmetzmaister in Gillaus und Eva sein Ehewürthin.. eheleibl: erzeugte dochter

Ich war Ende Dezember 2014 also in Spital am Pyhrn gelandet, die Kirchenbücher der Pfarre beginnen mit 1663.
Ich fand noch den Sterbeeintrag vom Vater Andreas Provin, er war am 4. August 1703 in Spital am Pyhrn verstorben.

Weihnachtszeit, 28. Dezember 2014

Ich googelte „Andreas Provin Steinmetz Spital am Pyhrn“ und bekam Treffer, einen in Wikipedia über Ambrosius Petruzzy, dort steht:
Die Wiener Bauhütte verlautbarte im Oktober 1644, Steinmetzmeister Giacomo Provino (Jacopo Provin) von Spital am Pyhrn bittet darum, seinen Sohn Andreas Provin die nächsten drei Jahre bei Steinmetzmeister Ambrosius Petruzzy, Bürger in Wien, in die Lehre zu schicken. Er hatte zuvor dritthalb Jahre bei ihm selbst gelernt, er aber wegen Leibesschwachheit halber, des tödlichen Abgangs sicher.
Dieses Scheiben ist im Wiener Stadt- und Landesarchiv, Steinmetzakten, Ereignisprotokolle 1644 archiviert.

Und ich entdeckte einen Artikel zur Steinmetzfamilie Provin von Herrn Jörg Strohmann in http://www.wiku-online.at/zeitung/WIKU_388.pdf, Seite 7:

So können wir annehmen, dass auch der aus Italien stammende Steinmetzmeister Jakob Provin zuerst in Wien tätig war und später von Probst Gienger nach Spital geholt wurde. Sicher ist, dass Jakob Provin im Jahr 1590 in Spital war, weil er damals den roten und schwarzen Spitaler „Marmor“ gefunden hat. Dies geht aus der Inschrift seines Grabsteines hervor, der sich in der Schutzengelkapelle der Spitaler Kirche befindet.

Jakob Provin war in Spital auch „Hofwirt“, er war dreimal verheiratet und hatte mehrere Kinder. Der Sohn Thomas kaufte 1656 das Sensenwerk Grünau und war später auch Marktrichter von Windischgarsten in den Jahren 1665/66 und 1670. Sohn Andreas erlernte ab 1641 bei seinem Vater das Steinmetzhandwerk, Arbeiten des Andreas Provin sind ebenfalls erhalten.Die Lehrzeit der Steinmetze dauerte damals fünf Jahre. Am 10. Oktober 1644 verfasste der damalige Hofrichter von Spital ein Beglaubigungsschreiben, wonach Andreas Provin beim Wiener Bürger und Steinmetzmeister Ambrosius Petruzzy die restliche Lehrzeit von zwei Jahren zu Ende bringt, weil Meister Jakob Provin „balt kheines Tags Leibsschwäche halber des tödlichen Abgang gesichert“, also täglich sterben könnte. Demnach hat Andreas Provin zwei Jahre lang in Wien bei dem in der Baugeschichte bis heute bekannten Meister Petruzzy gelernt. Petruzzy wurde am 5. Mai 1644 mit der Steinmetzhütte der Michaelerkirche in Wien beauftragt, er hat auch an der Hauptfassade der Burg Forchtenstein im Burgenland gearbeitet. Als ich heuer die Michaelerkirche in Wien besuchte, entdeckte ich dort zwei aus Spitaler Marmor hergestellte Weihwasserbehälter. Andreas Provin war 1646 wieder nach Spital gekommen, dort gab es unter Propst Damian von Inama eine sehr rege Bautätigkeit.

Ich wurde neugierig und schrieb an die Redaktion dieser Zeitung, noch am gleichen Abend erhielt ich die Antwort, dass meine E-Mail weitergeleitet wurde. Und am nächsten Tag, dem 29. Dezember 2014 meldete sich Herr Strohmann mit weiteren Informationen!

Ahnentour nach Spital am Pyhrn

Am 2. Mai 2015 nahm sich Herr Strohmann sogar einen ganzen Tag Zeit und führte meine Mama, meinen Bruder und mich zu den Wirkungsstätten der Steinmetzfamilie Provin in Spital am Pyhrn und Windischgarsten

Prächtiger Brunnen aus rotem Spitaler Marmor vom Steinmetzmeister Andreas Provin, um 1650
ursprünglich im Stift Spital am Pyhrn/Westtrakt, heute Roßleithen, vor der alten Schleiferei
Foto 02.05.2015 © Privatarchiv Ingrid Schuster

Entdeckt wurde der Spitaler Marmor seinerzeit von einem Südtiroler Steinmetz namens Provin, den Probst Damian zum Bau des Stiftes geholt hatte. Von ihm stammt sicher das herrliche Taufbecken in unserer Pfarrkirche und auch die Weihwasserbecken beim Seiteneingang. Sie können einem aufmerksamen Beobachter eine Überraschung bereiten. Wenn man nämlich einmal nicht oben hineingreift, sondern unten entlang streift, spürt man dort die Finger einer Hand, die uns das Becken entgegenhält. Eine Meisterleistung des Steinmetzen!
aus:
http://www.windischgarsten.at/gemeindeamt/download/219984187_1.pdf

Windischgarsten Pfarre St. Jakob, Weihwasserbecken
Foto 02.05.2015 © Privatarchiv Ingrid Schuster

Grabinschrift, Schutzengelkapelle der ehemaligen Stiftskirche von Spital:
Alhie ligt begraben der eheluch und furnem Jacoby Provin, gewöster Hofwürt und Stainmetz allhie zu Spittäl am Piern, welcher nit allain den schenen braun und schwartzen Marborstain noch vor 55 Jahren allhie erfunden, sondern zu alhiesig Stüft auch denen drey gestorbenen römischen Kaysern Rudolpho, Metthia und Ferdinando z. seeligsten Angedenkhen sowol Fürsten und Hern vil andere underschiedliche Arbeitn ververdigt und gemacht hat, so gestorben den 28. April 1645, seines Alters im 88isten Jahr. Dan seine abgeliebte drey eheliche Hausfrauen Juliana, Sara, Maria und seine in erster Ehe erzeugten Söhn und Töchter, welchen allen auch uns samentlich der allmechtige Gott nach diesem vergenglichen mühseligen Jammerthal ain fröhliche Ehrstent genediglich verleichen wolle. Amen

Foto 02.05.2015 © Privatarchiv Ingrid Schuster

Ende 2017

stolperte ich wieder über Jakob Provin.
Italien? Südtirol? Das wollte ich genauer wissen, ich bin am 02. Jänner 2018 der Facebookgruppe Italian Genealogy beigetreten und beschrieb, was ich über Jakob Provin wusste.
Knapp eine Stunde später postet eine Benutzerin folgenden Ausschnitt (Zitat):
Andrea e Giacomo Provin (Provini) di Mesocco lavorano dal 1642 in poi alla costruzione del convento di Spital al Pyhrn; Giacomo costrui pure una fontana nella corte del castello di Altpernstein.
<<Andreas und Jakob Provin (Provini) von Mesocco arbeiteten ab 1642 am Bau des Spitalkonvents am Pyhrn; Jakob errichtete auch einen Brunnen im Hof ​​des Schlosses von Altpernstein*).>>
*) Hinweis: am Beginn dieses Beitrages ist das Foto vom Brunnen, Burghof – Renaissancebrunnen ( 1607 ) von Jakob Provin

Quelle:
Magistri grigioni nell’Austria
da Oesterreichische Zeitschrift für Kunst- u. Denkmalpflege,versione italiana di Antonio Zendralli
Autor: Zendralli, A.M.
Band (Jahr): 27 (1957-1958), Heft 4
Ein Dienst der ETH-Bibliothek
ETH Zürich, Rämistrasse 101, 8092 Zürich, Schweiz

Mesocco!

Der Ort liegt im Kanton Graubünden in der Schweiz. Ich meldete mich am selben Tag im Schweizer Ahnenforum an, schrieb wieder was ich wusste und stellte abschließend die Frage:
diesem Hinweis „von Mesocco“ möchte ich gerne nachgehen, aber wo anfangen?
Ich erhielt ziemlich schnell als Antwort den Kontakt vom Staatsarchiv Graubünden / Amt für Kultur.
Am 03.01.2018 schrieb ich das Archiv Graubünden an, am nächsten Tag kam schon die Mitteilung:
Um die Quellen der Publikation von „A.M. Zendralli“ ausfindig zu machen, müssten Sie dessen Quellenverzeichnis anschauen. Wir besitzen die Publikation nicht.

Quellen der Publikation von A.M. Zendralli

Also auf in die Nationalbibliothek, dort finden sich folgende Bücher von Dr. Zendralli:
Graubündner Baumeister und Stukkatoren in deutschen Landen zur Barock-und Rokokozeit
Das Misox

Leider Fehlanzeige, in beiden Büchern ist Giacomo Provin nicht erwähnt!

Nach diesem Besuch der Nationalbibliothek googelte ich nach Quaderni Grigionitaliani, da „Magistri grigioni nell’Austria„ von Dr. Zendralli im Band (Jahr) 27 (1957-1958), Heft 4 dort erschienen ist, fand diese Seite und eine Kontaktmail.
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt (oder so)!

Wieder schrieb ich und beendete meine Anfrage mit:
Wo könnte ich noch nach der Quelle von Dr. Zendralli suchen, die ihn zur Herkunft „di Mesocco“ von Giacomo Provin führte?

Ich hatte solches Glück!

Es war der 21. Jänner 2018, ich sendete meine E-Mail um 20:11:12 MEZ. Um 20:22, also 11 Minuten(!) später leitete ein Mitarbeiter meine Mail an den Historiker Marco Marcacci weiter, der am 22. Jänner 2018 08:29 zurückschrieb:
Per tentare di rispondere in modo documentato all’interrogativo della signora Schuster devo fare qualche verifica in biblioteca, il che mi prenderà qualche giorno. Prego quindi di pazientare alcuni giorni. Cordialmente.
<<Um zu versuchen, Frau Schusters Frage auf dokumentierte Weise zu beantworten, muss ich einige Überprüfungen in der Bibliothek durchführen, was einige Tage dauern wird. Seien Sie also bitte ein paar Tage geduldig.>>

Bereits am nächsten Tag, dem 23. Jänner 2018 schrieb Herr Marcacci mir folgende Nachricht:
nach einigen Überprüfungen in der Bibliographie konnte ich feststellen, dass die von Ihnen erwähnten Giacomo und Andrea (Provin) Provini eher von dem Tessiner Dorf Meride (heute Gemeinde Mendrisio) als aus Mesocco im Graubünden stammten.

In seinem Hauptwerk I Magistri Grigioni, architetti e costruttori, scultori, stuccatori e pittori dal 16° al 18° secolo, Poschiavo, 1958 (neue Auflage 2013), erwähnt A.M. Zendralli „Andrea und Giacomo Provini“ tätig in “Spital am Pyhrn” (1642), aber mit der Bemerkung sie seien  “probabilmente” (wahrscheinlich) von Mesocco (S. 116).

In Alfredo Lienhard-Riva, Armoriale ticinese, Losanna 1945, ist Giacomo Provini als Bürger von Meride erwähnt, mit eindeutiger Quellenangabe (siehe Beilage). In Gegenteil zum Dorf Mesocco ist das Meride als Heimatsort von vielen Künstlern, Baumeistern und Maurer bekannt; die Auswanderer aus Mesocco im 17. Und 18. Jh. waren fast alle im Handel tätig, darunter auch einige Vertreter einer Familie Provini.

Mit dieser Beilage und Quellenangabe beginnt diese Geschichte über den Steinmetzmeister Jakob Provin

Epilog

Jakob Provin ist bis dato mein Vorfahre mit der Frühesten Geburt.

Quelle Beitragsbild:
Micheldorf (Oberösterreich). Burg Altpernstein: Burghof – Renaissancebrunnen ( 1607 ) von Jakob Provin
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Altpernstein_-_Burghof_2_Brunnen.jpg


Ingrid Schuster

Im Dezember 2011 habe ich begonnen, meine Familiengeschichte zu erforschen, meine Forschungsergebnisse habe ich seit Anfang 2017 im Internet publiziert.

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